Nahostarchiv Heidelberg (NOAH)

Interview mit Georg Stein über das Nahostarchiv in SWR aktuell vom 17. Januar 2022


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Nahostarchiv Heidelberg sucht ein Zuhause


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Das Nahostarchiv Heidelberg sucht neue Räumlichkeiten






Artikel aus der Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg) vom 17. März 2006

Dialog statt »Kampf der Kulturen«

Der Verleger Georg Stein baut das Nahostarchiv Heidelberg auf. Rund 3000 Bände geben Hintergrundinformationen.

Johannes Schnurr



Der Karikaturenstreit überzieht seit Wochen wie ein Flächenbrand den Nahen und Mittleren Osten. Viele Muslime fühlen sich durch die satirische Darstellung Mohammeds in ihren religiösen Gefühlen zutiefst verletzt. Die westliche Hemisphäre zeigt sich in ihrer Einschätzung hingegen gespalten. Zum einen wird das Recht auf freie Meinungsäußerung unverbrüchlich durch die demokratischen Verfassungen gesichert. Zum anderen gilt, wie es das Grundgesetz fordert, dass »die Freiheit des Glaubens unverletzlich« sei – was auch eine gewisse Rücksichtnahme in der Äußerung über eine Religion und ihre Symbole beinhaltet. Doch in blinder Wut brennt ein muslimischer Mob westliche Botschaften nieder – was für viele Menschen wiederum die schlimmsten Vorurteile über die pauschale Intoleranz des Islam zu bestätigen scheint.

»Die Situation, nicht nur im Karikaturenstreit, zeigt sich derzeit verfahren. Missverständnisse, Unkenntnis, aber auch gezielte Manipulationen ergeben eine brisante Gemengelage«, so Georg Stein. »Was Not tut, ist ein Dialog in gegenseitiger Achtung, nicht die Rede über einen sogenannten »Kampf der Kulturen«, wie ihn der amerikanische Historiker Samuel Huntigton als Schlagwort geprägt hat.« Stein ist Gründer des Heidelberger Palmyra Verlages, der sich neben Musikbüchern vor allem auf die Themen Naher Osten, Arabische Welt und Islam spezialisiert hat. Namhafte Autoren publizieren hier, wie der Alternative Nobelpreisträger Uri Avnery aus Israel, der preisgekrönte aus Syrien stammende Erzähler Rafik Schami, oder der verstorbene Kulturkritiker Edward W. Said, der als die intellektuelle Stimme der Palästinenser galt.

Parallel zu seiner Tätigkeit als Verleger baute Stein seit 1989 das »Nahostarchiv Heidelberg (NOAH)« auf. Es ist mittlerweile zu einer beachtlichen Sammlung angewachsen, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Die Präsenzbibliothek, untergebracht in den Verlagsräumen in der Hauptstraße 64, umfasst rund 3000 Bände. »Wir verfügen über nahezu alle aktuellen Neuerscheinungen zu den Themen Nahostkonflikt, Arabische Welt, Islam, Judentum (auch Antisemitismus und Holocaust) und was im weitesten Sinne damit zu tun hat. Wir sammeln systematisch Hintergrundmaterialien zu den Bereichen Politik, Geschichte, Kultur und Soziales«, erklärt Stein das Konzept. Rund 30 Fachzeitschriften und täglich drei Tageszeitungen wertet das Verlagsteam aus, bezieht die wichtigsten nationalen und internationalen Newsletter und arbeitet mit verschiedenen Universitäten, wie der Hebräischen Universität in Jerusalem oder der Bir Zeit Universität in Palästina, zusammen. Doch auch mit dem Deutschen Orient-Institut in Hamburg, dem Zentrum Moderner Orient in Berlin, der Friedrich-Ebert-, der Konrad-Adenauer- und der Heinrich-Böll-Stiftung steht Stein im Austausch und organisiert Veranstaltungen. Ergänzt wird das Nahostarchiv durch eine Bilddatenbank, die rund 20.000 Fotos und Dias enthält sowie ein umfangreiches Videoarchiv.

»Rund zehn bis zwanzig Anfragen erhalten wir derzeit jede Woche«, so Stein. »Vor allem Schüler, Studenten und Lehrer, aber auch viele Wissenschaftler und Journalisten interessieren sich für das Archiv. Wir möchten Aufklärung und Dialog durch vielfältige Hintergrundinformationen fördern, auch wenn dies im Moment einigen fast als aussichtslos erscheinen mag«, so Stein. Die Benutzung des Archivs ist kostenlos, allenfalls für die Erstellung von Kopien und die Recherchen wird eine geringe Gebühr erhoben. Häufig reist der Heidelberger Verleger nach Israel und Palästina und in die arabische Welt. Als langjähriger Kenner des Nahen Ostens führte er 1991 in Bagdad, kurz vor Beginn des ersten Golfkrieges, als einziger westlicher Journalist ein Interview mit Yassir Arafat und war 2004 einer der ganz wenigen Deutschen, der an dessen Beerdigung teilnahm. Oft wird er deshalb von den Medien als Interviewpartner angefragt, um als Fachmann über den Nahostkonflikt zu sprechen oder gebeten, Gäste für Talkshows im Fernsehen zu vermitteln. Zudem wird Stein gelegentlich von Politikern zu Nahostgesprächen eingeladen, wie von dem ehemaligen Außenminister Joschka Fischer und dem verstorbenen Johannes Rau. Doch das rege Interesse stimmt ihn mitunter nachdenklich: »Leider gibt es derzeit einen Konflikt nach dem anderen, um sich für die Ereignisse im Nahen Osten und der arabisch-islamischen Welt zu interessieren. Doch gerade deshalb erachten wir unsere Arbeit im Nahostarchiv als Vermittler und Aufklärer für besonders wichtig.«